Demolizione e ricostruzione della scuola elementare di S. Martino in Val Casies
Das pädagogische Konzept der neuen Schule stellt für die Architektur eine neue Herausforderung dar. Sie soll für jedes der Aktivitäten, die mittels Verben ausgedrückt sind und die den vielfältigen Schulalltag schildern, einen dafür geeigneten Raum schaffen: Orte in denen lesen, schreiben, rechnen, erzählen, üben, sich bewegen, sich zurückziehen, sich ausruhen, sich neuen Aufgaben stellen, experimentieren, in Texten schmökern, Theater spielen, recherchieren ... und vieles mehr möglich sein wird. Aber soll die Architektur, neben dem Lehrpersonal, als sogenannter „dritter Pädagoge“ das Verständnis von schulischem Lernen mitgestalten, so kann sich das nicht auf das schiere Konzipieren und Ausfüllen eines wie auch immer komplexen oder reichen Raumprogramms beschränken. Die Architektur will vielmehr eine eigene Geschichte erzählen, welche die raumzeitliche Entfaltung des Schullebens mitbestimmen wird.
Die Schule liegt an einer bestimmten Stelle und nirgendwo anders: nämlich am östlichen Rand des „Angers“, um dem herum sich das Dorf organisiert; am Füße einer ansteigenden Wiese, die wiederum bis zur nahen bewaldeten Bergflanke im Süden reicht. Sankt Martin ist hier lediglich ein dünner Faden von Häusern, die den Dorfplatz von der umliegenden freien Landschaft abgrenzt. Die neue Schule nimmt aber von dem abzureißenden Altbau wieder dessen Funktion als Raumbegrenzer des Dorfplatzes inne und steht - ohne deshalb den oben liegenden Wiesen den Rücken zu wenden -, bewusst auch als Durchgang zur freien Landschaft da. Der Geländesprung, der schon durch den Bau der alten Schule entstanden ist, wird ausgenutzt, um gerade die besondere Lage des neuen Schulhauses an der Schwelle zwischen Dorf und Feld, zwischen geschlossenem Dorfleben und offener Berglandschaft auch räumlich zu entfalten.
Durch einen Gebäudeteil, in dem Technik-, Abstell- und Umkleideräume untergebracht sind, wird die natürliche Geländekante künstlich nach vorne, zum Platz hin, in die Länge gezogen. Auf diesem massiven Sockel, der wie eine Ausformung des Bodens aussieht, lagert die leichte, zweigeschossige Holzkonstruktion der Schule. Der Kontrast zwischen beiden Bautechniken wird im Erdgeschoss ablesbar: Hinter der Holzfassade erscheint als Abgrenzung der Eingangshalle die geschlossene Front einer Wand, die den Druck des abfallenden Geländes abstützt. Somit werden die geomorphologischen Kräfte des Bodens, mit deren Regulierung jeder Bauakt überhaupt anfängt, sichtbar und spürbar gemacht.
Das Erdgeschoss der Schule lehnt sich an diese Stützwand und richtet sich dem Dorfplatz zu; dem gegenüber steht das oben liegende Geschoss mit den beiden Lernhäusern und der Bibliothek, das sich zur sonnigen Wiesenseite hin öffnet. Somit ist jede Ebene der neuen Schule durch unterschiedliche Lichtatmosphären charakterisiert. Das Erdgeschoss, im Boden teils eingebettet, ist bedacht schattig. Es wird nur indirekt durch die verglaste Fassade nach Nordwesten hin von den Häusern jenseits des Dorfplatzes selbst und den fernen Bergen, die in der Sonne liegen, beleuchtet. Dieser Lichtkontrast zwischen dem sonnigen Außen und dem leicht schattigen Erdgeschoss hebt, von innen gesehen, die Trennung durch die Glasfassade auf und lässt die Schule als Verlängerung und Ausdehnung des Dorfes erscheinen. Lichtüberflutet ist dagegen das Obergeschoss, wo die tägliche Dynamik der direkt einfallenden Sonnenstrahlen und des Blendschutzsystems eine im Laufe des Tages variierbare Topographie des Lichtes entstehen lässt.
Zwei Lufträume unterschiedlicher Form sichern einen räumlichen Bezug zwischen beiden Ebenen. Ein quadratischer, offener, turmartiger Innenhof zwischen dem Bereich der Garderobe und der Mensa und eine langgezogene, schmale, dem Sonnenverlauf vom Osten nach Westen folgende Gebäudespalte, die vom Dorfplatz bis zur Wiese reicht und den Aufstieg in den ersten Obergeschoss begleitet. Spalte und Innenhof trennen die Bibliothek von den Lernhäusern und verleihen somit jedem Lernbereich eine stark räumliche Identität. Beide Lufträume schaffen, indem sie jeden Raum in ein Netz von Blickbeziehungen binden, eine innere horizontale Transparenz, die durch die Überlagerung und die visuelle Durchdringung der verschiedenen Arbeitsbereiche entsteht.
Das erste Obergeschoss ist gleichzeitig der Dachstuhl der Schule. Das geneigte Dach wird auch in der Höhe die verschiedenen Lernbereiche der Schule differenzieren und deren Positionierung im Bezug zum zentralen und höheren Haus der Bücher bestimmen. Durch Schiebe- und Faltwände sind unterschiedliche Raumkonfigurationen möglich. Die Arbeitsflächen können so offen bleiben oder durch Vorhänge vom restlichen Schulalltag temporär abgeschirmt sein. Bibliothek und Lernhäuser sind nicht als separate, autarke Gebäudeteile gedacht, sie sind eher als Abschnitte eines räumlichen Kontinuums gemeint. Kein Raum bleibt in sich verschlossen: Eine ununterbrochene Bewegung näht mehrfach alle Teile der Schule zusammen. Hier gibt es keine Türen, sondern Schwellen als räumliche Figur der Durchmischung, Brücken, Lauben, Übergänge, die wiederum groß genug sind, um sich darin aufhalten zu können.